Chronik der SPD Euerbach von Johann Brand

Chronik des SPD - 0rtsvereins Euerbach

Als einziges, noch 1ebendes Gründungsmitglied berichte ich aus meiner Erinnerung über Gründung und Fortentwicklung des Ortsvereins Euerbach.

Ich trat nach Ableistung meiner nicht angenehmen Militärzeit am 5. Mai 1911, laut vorliegendem Mitgliedsbuch, dem SPD-Ortsverein Schweinfurt bei. Nach einer Rücksprache mit der Unterbezirksleitung Schweinfurt lud ich die freigewerkschaftlich organisierten Arbeiter der Gemeinde Euerbach zu einer Versammlung ein. Zu dieser Versammlung, die am 19. November 1911 stattfand, erschienen die Genossen Arneth und Mailänder aus Schweinfurt. Nach einem Kurzreferat dieser Genossen wurde die Gründung des Ortsvereins Euerbach vorgenommen. Zwölf der Anwesenden traten dem Ortsverein bei.

Schwer war der Boden zu bearbeiten, umso rühriger aber waren die Genossen in der Mitgliederwerbung, so dass bei Ausbruch des ersten Weltkrieges dem Ortsverein 32 Genossen angehörten. Achtzig Prozent der Genossen wurden schon am 1. Mobilmachungstag zu den Waffen gerufen. Am Vorabend dieses Tages wurde eine Versammlung durchgeführt, die von allen Genossen besucht wurde. Zwei Gründe waren die Ursache dieser Versammlung: Erstens galt es voneinander Abschied zu nehmen, zweitens ging es uns um die Aufrechterhaltung des Ortsvereins. Wir legten die Leitung in die Hände der jungen, noch nicht dienstpflichtigen Genossen, in dem guten Glauben, dass der Krieg bald zu Ende sei. Aber auch diese jungen Menschen wurden von der Kriegsmaschinerie erfasst. Acht unserer besten Genossen sahen die Heimat nicht mehr wieder.

Nach dem Kriege wurde die Parteiarbeit wieder aufgenommen. Zur Gemeinderatswahl im Juni 1919 trat der Ortsverein mit eigener Liste auf, wobei ein Mandat errungen wurde. Bei den Gemeindewahlen im Jahre 1921 konnte der Ortsverein drei Genossen in den Gemeinderat entsenden. Bei den gleichen Wahlen im Jahre 1925 konnte ein weiterer Sitz nicht erkämpft werden. Im Jahre 1929 aber konnten wir bei Stellung des zweiten Bürgermeisters zwei weitere Sitze hinzugewinnen. Damaliger Mitgliederstand: 37 Genossen.

Bei der Machtergreifung durch Hitler im Jahre 1933 ging der Mitgliederstand auf 23 Genossen zurück. Mehrere Hausdurchsuchungen mussten einige Genossen über sich ergehen lassen, Die Vereinsfahne, Kasse und sonstige Aufzeichnungen, die ich zu mir genommen hatte, wurden beschlagnahmt. Die Mitgliederlisten hatte ich vorsichtshalber verbrannt.

Nach dem Krieg 1945 gingen eine Anzahl früherer Mitglieder an den Wiederaufbau des Ortsvereins, so dass am 1.1.1946 die Neugründung erfolgen konnte. Intensive Werbetätigkeit erreichte nach kurzer Zeit einen sehr zufriedenstellenden Mitgliederstand. Am 28. Mai 1945 wurde ich als 1. Bürgermeister und der Genosse Georg D o r s c h als 2. Bürgermeister kommissarisch von der US-Militärregierung eingesetzt. Zugleich zogen drei weitere Genossen in die örtliche Gemeindeverwaltung ein.

Bei den Gemeindewahlen im Jahre 1946 wurde für die laufende Legislaturperiode bis 1948 diese Besetzung bestätigt. Den fünf Genossen, die in der Gemeindeverwaltung tätig waren, standen vier bürgerliche Gemeinderäte gegenüber. Dieses Sitzverhältnis blieb bis zur Gemeinderatswahl 1960 erhalten. Zu diesem Zeitpunkt schieden der 1. und der 2. Bürgermeister aus. Über die weitere Entwicklung unseres Ortsvereins bis zum heutigen Tage zu berichten, dürfte Angelegenheit des derzeitigen Vorsitzenden Fritz Brand sein.

im Oktober 1971

gez. Johann Brand

Nachtrag

Von der Wiedergründung des Ortsvereins am 1.1.1946 bis 1956 führte der Genosse Georg Dorsch den Ortsverein als 1. Vorsitzender.

Unser viel zu früh im Jahre 1962 verstorbene Genosse Rudolf Winter war 1. Vorsitzender des Ortsvereins von 1956 bis 1960. Seine erfolgreiche Tätigkeit als 1.Bürgermeister von 1960 bis 1962 bleibt allen in guter Erinnerung. Der Genosse Georg Rooß übte das Amt des 1. Vorsitzenden von 1960 bis 1967 aus. Sein Nachfolger wurde der jetzige 1.Vorsitzende Fritz Brand. Der heutige Mitgliederstand sind 53 Mitglieder.

Bei der letzten Bundestagswahl 1969 erhielten wir 47,2 % Zweitstimmen und bei der Landtagswahl 1970 43,5 % der Zweitstimmen der abgegebenen Stimmen (relative Mehrheiten).

Unsere Gemeinde zählt zurzeit ca. 1.300 Einwohner (vor dem 2. Weltkrieg waren es ca. 800). Davon sind 90 % in verschiedenen Erwerbszweigen tätig. Der Rest ist in der Landwirtschaft beschäftigt. Der 1. Bürgermeister ist heute parteilos. Bei den letzten Gemeinderatswahlen war unsere Liste die einzige Parteiliste.

gez. Fritz B r a n d